Mundschleimhauterkrankungen beim Zahnarzt – was ist zu beachten?
Die Mundhöhle besteht aus mehreren Bereichen (u. a. Gaumen, Wange, Zunge, Zahnreihen), deren Schleimhäute unterschiedlich aufgebaut sind. Am Gaumen und am Alveolarkamm zu den Zähnen hin findet sich die mit dem darunter befindlichen Knochen bzw. dem Periost fest verwachsene Gingiva (fixierte Schleimhaut), wohingegen die restliche Mundhöhle inklusive des weichen Gaumens von einer mobilen, abdeckenden Schleimhaut ausgekleidet ist. Die Schleimhaut selbst besteht aus einem der Basalmembran aufliegenden, mehrschichtigen Plattenepithel und dem auf der Basalmembran befindlichen Bindegewebe.1
Bei Mundschleimhautveränderungen ist es nicht immer einfach, die vielfältigen Formen voneinander abzugrenzen.
1. Manifeste Formen von Mund- und Rachenkrebs, u. a.:2–4
- Plattenepithelkarzinome
- Adenokarzinome
- Ösophaguskarzinome
- Larynxkarzinome
2. Potenziell maligne Veränderungen der Mundschleimhaut können u. a. sein:1,4
- Leukoplakien (geringgradige, mäßiggradige, hochgradige Dysplasien, Carcinoma in situ [SIN1–3])
3. Nicht maligne Veränderungen bzw. Differenzialdiagnosen können u. a. sein:5–7
- Bissverletzungen (Morsicatio)
- Lokale Entzündungen (Stomatitis/Aphthen, Gingivitis, Dentitio difficilis)
- Oraler Lichen planus
- Lichenoide Reaktionen
- Leuködem
- Veränderungen durch pathogene Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren)
- Rauchergaumen, Noxen durch Zigaretten und Alkohol
- Friktionsbedingte Veränderungen (fehlerhafter Zahnersatz)
- Weißer Schwämmnävus (erblich)
4. Veränderungen, die auf eine (systemische) Erkrankung zurückzuführen sind1,5, z. B.:
- Orale Manifestationen rheumatischer Erkrankungen wie Lupus erythematodes (Ulzera)
- Orale Haarleukoplakie durch Epstein-Barr-Virus bei immunsupprimierten Patienten wie HIV-Infizierten oder Transplantatempfängern
- Lichen ruber mucosae (Knötchenflechte)
5. Medikamenten- bzw. therapieinduzierte Veränderungen1,8, u. a.:
- Stomatitiden und Gingivahyperplasien, z. B. durch Phenytoin, Cyclosporin A, Phenobarbital, Östrogen und Kalziumkanalantagonisten
- Radio- oder chemoinduzierte Mukositis
Nach den aktuellen Leitlinien gilt generell:2,5
- Im Rahmen der zweimal jährlich empfohlenen systematischen Untersuchung der Mundhöhle soll sichergestellt werden, dass sämtliche Regionen der Mundschleimhaut, der Lippen und der unmittelbar angrenzenden Gewebe eingesehen und kritisch gewürdigt werden. Bei Veränderungen soll eine weitere diagnostische Abklärung erfolgen.
- Als verdächtig gilt jede Läsion, die nach einer Beobachtung oder Therapie über zwei Wochen keine Rückbildungstendenz zeigt und sich nicht eindeutig einer definierten Grundkrankheit oder Ursache zuordnen lässt (z. B. Lichen ruber mucosae).
Entzündungen der Mundschleimhaut
Häufig kommen Patienten mit entzündlichen Mundschleimhautveränderungen wie Aphthen in die Praxis, die sich jedoch in der Regel einfach behandeln lassen.9 Sämtliche Entzündungen der Mundschleimhaut unterschiedlicher Ursachen fallen unter den Begriff Stomatitis (Mundentzündung) bzw. Mukositis (Entzündung der Schleimhaut).10 Diese Entzündungen können leicht oder stark sein. Sie sind immer schmerzhaft. Die Mundschleimhaut kann geschwollen und gerötet sein oder einzelne bis mehrerer schmerzende Ulzera aufweisen. Ursachen können lokale Infektionen, systemische Erkrankungen, physikalische oder chemische Reize oder Allergien sein oder sie ist idiopathischer Natur. Ist der Schutz der Mundschleimhaut durch den normalen Speichelfluss gestört, z. B. bei Xerostomie (Mundtrockenheit), kommt es leichter zu einer Entzündung der Mundschleimhaut. Die Mundschleimhaut selbst besitzt eine hohe Regenerationsfähigkeit, die mit zunehmendem Alter, durch Rauchen oder Alkoholabusus nachlassen kann. Dadurch können vermehrt leichte Wunden oder Entzündungen auftreten. Auch Druckstellen durch schlecht sitzenden Zahnersatz können schmerzhaft entzündet sein.7,11
Entzündungen des Zahnfleisches (Gingivitis) können sowohl plaquebedingt als auch nicht plaquebedingt auftreten. Die plaquebedingte Gingivitis kommt deutlich häufiger vor. Gewöhnlich geht die Gingivitis der Parodontitis voraus. Im Unterschied zur Gingivitis, die reversibel ist, stellt die Parodontitis (eine entzündliche Zerstörung des Zahnhalteapparates) einen irreversiblen Schaden des Zahnhalteapparates dar. Beide Erkrankungen werden ursächlich durch Bakterien im oralen Biofilm (Plaque) ausgelöst.12,13 Ein Entscheidungskriterium für die Parodontitis-Therapie stellt die Taschensondierungstiefe (TST) dar.14
Entzündungen und Infektionen im weichen Gewebe können vor allem beim Durchbruch der Weisheitszähne entstehen, wenn die Zähne nicht genug Platz haben, um durch das Zahnfleisch durchzubrechen (Perikoronitis bzw. Dentitio difficilis).15,16
Bei lokalen Entzündungen wie akuter Gingivitis, Stomatitiden sowie Perikoronitis können Mundheilpasten (z. B. Dontisolon® D) Linderung verschaffen. Ein Strang von 0,5 bis 4 cm Mundheilpaste wird nach der Behandlung beim Zahnarzt vom Patienten für maximal sieben Tage dreimal täglich nach den Mahlzeiten mit einem feuchten Wattebausch aufgetragen. Sie verbleibt durch die pastöse Konsistenz auf der betroffenen Schleimhautstelle, und wirkt dort entzündungshemmend, abschwellend, schmerzlindernd sowie heilungsfördernd und mindert die Blutungsneigung.17,18
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über einige systemische Erkrankungen, die sich auch in der Mundhöhle zeigen können wie z. B. gastrointestinale Erkrankungen oder auch bestimmte Infektionskrankheiten, und listet typische Erkennungsmerkmale auf.
Erkrankung |
Manifestationen in der Mundhöhle |
Morbus Crohn |
Schwellungen der Schleimhäute mit partiell pflastersteinartigen Veränderungen, Mucogingivitis |
Colitis ulcerosa |
Konfluierende Pusteln mit anschließender Ulzeration |
Gastrointestinaler Reflux |
Unspezifisches Brennen der Schleimhäute, Mundgeruch, Ulzerationen, evtl. Veränderungen der Zahnhartsubstanz durch den sauren pH-Wert |
Leberinsuffizienz |
Gelbfärbung der Schleimhäute, atrophe Zungenpapillen |
Mangelerscheinungen (z. B. durch Diäten, Alkohol-, Drogenabusus, Bulimie, gestörte Resorption)
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Hämatologische Erkrankungen
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Dermatologische Erkrankungen
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Atrophe, schmerzhafte Schleimhaut mit Ulzerationen mit retikulären Streifen |
Lupus erythematodes |
Veränderungen meist am Gaumen |
Morbus Addison |
Farbveränderung der Schleimhäute |
Diabetes mellitus |
Mundtrockenheit, glatte, gerötete Zunge, gehäuft Candidosen (z.T. mit abwischbaren weißlichen Belägen) |
Infektionskrankheiten
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Tab. 1: mod. nach1
Letzte Aktualisierung: 01.10.2020